Bukowski in Hamburg

Sven K. am 19. 05. 2024

1978. Charles Bukowski grinst breit in die Kamera: „Okay! Then, where are the whorehouses?“ Mit diesen Worten steigt der Underground-Autor nach einer Rundfahrt durch den Hamburger Hafen von einer wild schaukelnden Schaluppe. Hank, der mit seiner Strickmütze, dem zerfurchten Gesicht und Dreitagebart selbst als Hafenarbeiter durchgeht, ist nicht mal sechzig, sieht aus wie achtzig und hat beste Laune.

“Berühmt nach dem Tod? Nein. Ich wollte gut genug schreiben, um die Miete zu bezahlen und was zu trinken zu haben. Ich hatte das Gefühl, dass ich im Vergleich zu den anderen gut schreiben konnte, aber ich knüpfte keine Erwartungen daran. Ich wollte überleben, das nackte Überleben.” Charles Bukowski

Abends liest er vor hunderten Fans und einigen Zwischenrufern, die man heute Hater nennen würde. Er liest kurze Texte, Fragmente, Gedichte, die vor gelebtem Leben und viel, viel Humor triefen. Zwischendurch zündet er hustend eine Zigarette nach der anderen an, mit deren Qualm er sich einhüllt, als seien es Nebelkerzen. Nach dem soundsovielten Zwischenrufer sagt er nur halb ironisch, er wisse nicht, ob das eine sehr lange Lesung werden würde. Als eine neue Flasche Wein gereicht wird, entkorkt er sie zufrieden schmatzend und sagt, na, das sähe wohl doch nach einer längeren Lesung aus.

Das Publikum, im Anschluss an die Lesung befragt, spricht darüber, dass Bukowski über Sex und Suff spricht. Es spricht nicht darüber, dass er vom Leben erzählt. Und hat damit ein Problem, das deutsches Publikum bis heute hat. Deutsches Publikum ist völlig immun gegen die Tatsache, dass, was man erzählt und wie man es erzählt, völlig wumpe ist; dass es die Geschichte ist, die etwas interessant macht. Deswegen wird in Deutschland gern völlig belangloses Zeug veröffentlicht, Zeug, das nichts erzählt, denn die Leute bepissen sich schon vor Lachen, wenn nur jemand eine Flasche Bier aufmacht und „Titten“ sagt. Das ist im Sinne der Gewinnoptimierung großartig. Für alles andere, besonders auch immer wieder für den Humor, ist das ein Armutszeugnis. Lange her, dass das Wort „Witz“ synonym war mit Klugheit und gesundem Menschenverstand.

Dabei ist es so schön, wenn Sex, Suff und eine schöne Geschichte eins sind.

Sach watt

Bukowski in Hamburg

Sven K. am 19. 05. 2024

1978. Charles Bukowski grinst breit in die Kamera: „Okay! Then, where are the whorehouses?“ Mit diesen Worten steigt der Underground-Autor nach einer Rundfahrt durch den Hamburger Hafen von einer wild schaukelnden Schaluppe. Hank, der mit seiner Strickmütze, dem zerfurchten Gesicht und Dreitagebart selbst als Hafenarbeiter durchgeht, ist nicht mal sechzig, sieht aus wie achtzig und hat beste Laune.

“Berühmt nach dem Tod? Nein. Ich wollte gut genug schreiben, um die Miete zu bezahlen und was zu trinken zu haben. Ich hatte das Gefühl, dass ich im Vergleich zu den anderen gut schreiben konnte, aber ich knüpfte keine Erwartungen daran. Ich wollte überleben, das nackte Überleben.” Charles Bukowski

Abends liest er vor hunderten Fans und einigen Zwischenrufern, die man heute Hater nennen würde. Er liest kurze Texte, Fragmente, Gedichte, die vor gelebtem Leben und viel, viel Humor triefen. Zwischendurch zündet er hustend eine Zigarette nach der anderen an, mit deren Qualm er sich einhüllt, als seien es Nebelkerzen. Nach dem soundsovielten Zwischenrufer sagt er nur halb ironisch, er wisse nicht, ob das eine sehr lange Lesung werden würde. Als eine neue Flasche Wein gereicht wird, entkorkt er sie zufrieden schmatzend und sagt, na, das sähe wohl doch nach einer längeren Lesung aus.

Das Publikum, im Anschluss an die Lesung befragt, spricht darüber, dass Bukowski über Sex und Suff spricht. Es spricht nicht darüber, dass er vom Leben erzählt. Und hat damit ein Problem, das deutsches Publikum bis heute hat. Deutsches Publikum ist völlig immun gegen die Tatsache, dass, was man erzählt und wie man es erzählt, völlig wumpe ist; dass es die Geschichte ist, die etwas interessant macht. Deswegen wird in Deutschland gern völlig belangloses Zeug veröffentlicht, Zeug, das nichts erzählt, denn die Leute bepissen sich schon vor Lachen, wenn nur jemand eine Flasche Bier aufmacht und „Titten“ sagt. Das ist im Sinne der Gewinnoptimierung großartig. Für alles andere, besonders auch immer wieder für den Humor, ist das ein Armutszeugnis. Lange her, dass das Wort „Witz“ synonym war mit Klugheit und gesundem Menschenverstand.

Dabei ist es so schön, wenn Sex, Suff und eine schöne Geschichte eins sind.

2014001162

Sach watt