Um Ivy zu verstehen, kann es helfen, zu wissen wo ich herkomme: ich bin ein Kind der 1980er und in den 1980ern entstand die deutsche Comicszene – es entstand eine Art des Autorencomics, in dem sich die Kunst vom Können emanzipierte.
Mußte ein Comic bis Ende der 1970er virtuos gezeichnet, koloriert und gelettert sein, so gab es plötzlich einen Haufen vergleichsweise grob, teilweise dilettantisch hingetuschter Strips von Zeichnern, denen die Story und die Schlagfertigkeit, das heißt vor allem die Möglichkeit, schnell zu produzieren wichtiger war als zeichnerische Exzellenz. Viele dieser Strips entstanden tatsächlich am Biertisch in der Kneipe und fanden von da aus ohne den Umweg der Reinzeichnung in den Druck.
Mit kruden Figuren, deren Geschichten nicht in Cäsars Gallien, dem wilden Westen oder dem Frankreich der 1930erjahre ihren Ausgang nahmen, fiel die Identifizierung leicht. Die Helden der 1980er waren bald nicht mehr die stilistisch geschniegelten Asterix, Tim und Struppi oder Lucky Luke sondern Rötger “Brösel” Feldmanns Motorradgang um “Werner”, Walter Moers’ pubertierendes “Kleines Arschloch” und Ralf Königs schwule WG um den “Bewegten Mann”. Die Eltern legten noch “Die Frustrierten” von Claire Brétecher und die wilden Strips von Jean-Marc Reiser an.
Die Geschichten hatten gesiegt, Inhalte hatten die Ketten der Form gesprengt.
Heute, ein Vierteljahrhundert nach dieser deutschen Comicrevolution und begünstigt durch das Internet gibt es noch viel und immer mehr neue Zeichner, die nicht an verlagliche Fesseln gebunden sind. Dadurch entstehen Strips, die auch thematisch nicht zwangsläufig mehrheitsfähig sein müssen. Gleichzeitig macht das digitale Zeitalter unzähligen hochtalentierten Zeichnern und Zeichnerinnen der Einstieg ins Geschichtenerzählen einfach, Resultat: online finden sich zahllose Comics Cartoons und Zeichunngen, die handwerklich perfekt sind, doch es fehlen die Inhalte oder die Inhalte sind so selbstreferenziell, dass sie schon zu Zeiten funktionierender Verlagssysteme niemand publiziert hätte.
Ivys Bar entstand zeitlich zwischen diesen beiden Zeitabschnitten – Zeichner wie Walter Moers waren noch auf Verlage angewiesen, um groß zu werden (und zu bleiben) und im Internet fingen Menschen wie Joscha Sauer oder ich gerade mal an mit dem digitalen Abenteuer – auf Portalen wie zyn.de oder ersten privaten Homepages, oft bei Hostern wie AOL oder COMPUSERVE, mit 2 MB Webspace pro Account. Hossa!
In meinem Leben hat sich viel getan seit den Jahren, als ich jeden Tag einen Strip für IVYS BAR zeichnete. Nachdem ich dann lange nur für andere gearbeitet habe, mache ich jetzt wieder eigenen Kram und ich freu mich darauf herauszufinden, wie sich das anfühlt, wieder an diesem Tresen zu stehen: Seit 2016 zeichne ich nach langer Pause wieder neue Strips aus IVYS BAR. Prost!

Sven K., Berlin den 3. Juni 2013