Pixelmusik

Sven K. ★ 24. Oktober 2018

1978. Charles Bukowski grinst breit in die Kamera: „Okay! Then, where are the whorehouses?“ Mit diesen Worten steigt der Underground-Autor nach einer Rundfahrt durch den Hamburger Hafen von einer wild schaukelnden Schaluppe. Hank, der mit seiner Strickmütze, dem zerfurchten Gesicht und Dreitagebart selbst als Hafenarbeiter durchgeht, ist nicht mal sechzig, sieht aus wie achtzig und hat beste Laune.

„Berühmt nach dem Tod? Nein. Ich wollte gut genug schreiben, um die Miete zu bezahlen und was zu trinken zu haben. Ich hatte das Gefühl, dass ich im Vergleich zu den anderen gut schreiben konnte, aber ich knüpfte keine Erwartungen daran. Ich wollte überleben, das nackte Überleben.“ Charles Bukowski

Abends liest er vor hunderten Fans und einigen Zwischenrufern, die man heute Hater nennen würde. Er liest kurze Texte, Fragmente, Gedichte, die vor gelebtem Leben und viel, viel Humor triefen. Zwischendurch zündet er hustend eine Zigarette nach der anderen an, mit deren Qualm er sich einhüllt, als seien es Nebelkerzen. Nach dem soundsovielten Zwischenrufer sagt er nur halb ironisch, er wisse nicht, ob das eine sehr lange Lesung werden würde. Als eine neue Flasche Wein gereicht wird, entkorkt er sie zufrieden schmatzend und sagt, na, das sähe wohl doch nach einer längeren Lesung aus.

Das Publikum, im Anschluss an die Lesung befragt, spricht darüber, dass Bukowski über Sex und Suff spricht. Es spricht nicht darüber, dass er vom Leben erzählt. Und hat damit ein Problem, das deutsches Publikum bis heute hat. Deutsches Publikum ist völlig immun gegen die Tatsache, dass, was man erzählt und wie man es erzählt, völlig wumpe ist; dass es die Geschichte ist, die etwas interessant macht. Deswegen wird in Deutschland gern völlig belangloses Zeug veröffentlicht, Zeug, das nichts erzählt, denn die Leute bepissen sich schon vor Lachen, wenn nur jemand eine Flasche Bier aufmacht und „Titten“ sagt.

Dabei ist es so schön, wenn Sex, Suff und eine schöne Geschichte eins sind.

Heute ist der 97. Geburtstag von Albert Uderzo. der vor fünf Jahren gestorbene Zeichner erfand 1959 mit dem Autor René Goscinny die bis heute weltbekannte Comicfigur Asterix. Gemeinsam schnitzten die beiden bis zu Goscinnys viel zu frühem Tod 1977 vierundzwanzig Asterix-Alben, also mitunter bis zu zwei opulente 48-Seiter pro Jahr.

Kollegen wie André Franquin, der Schöpfer von Gaston, bewunderten Uderzo als zeichnerisches Ausnahmetalent: scheinbar mühelos zeichnete er pro Woche bis zu sieben Seiten in Asterix-Qualität. hochachtung galt seiner Technik: Er war im realistischen Comic so sehr zu Hause wie im Cartoonstil und außerdem, was nicht nur den Zeichnerkollegen Morris, Erfinder von Lucky Luke, beeindruckte, ein sicherer Karikaturist.

Uderzo war nebenbei ein kontroverser Kauz. beispielweise investierte er, während die Kollegen mit der ’68er-Revolte kokettierten, seine Asterix-Gewinne in eine Ferrari-Sammlung.

Wer den Mann (ein wenig) begreifen will, ist mit dem Interviewband des französischen Schriftstellers, Schauspielers, Regisseurs und Comic-Spezialisten Numa Sadoul fantastisch bedient.

Gerade hab ich meinen Twitter-Account @ivysbar stillgelegt. Ich finde es so bitter, dass es reicht, wenn man als Mega-Arschloch viel Kohle hat, dass man etwas Wunderbares in Grund und Boden reiten kann.

Ich bin jetzt sicher einer der Cartoonisten mit der übersichtlichsten organischen Reichweite hierzulande –und ich arbeite weiter mit viel Spaß daran, das zu ändern – aber eben nicht mehr in Muskistan mit seiner onlinepublizistischen Spezialaktion.

Wer bei „X“ sein Publikum sucht, für was auch immer, unterstützt reaktionäre Arschlöcher und macht, gewollt oder nicht, ein politisches Statement und kein gutes.

Wer auf „X“ publiziert, schafft ein Publikum für alles, was nicht freundlich ist. So opportunistisch werden Ivy und ich in diesem Leben nicht mehr.

Verfolgt Ivy gerne hier:

Heute vor sieben Jahren hat das Universum beschlossen, dass Marcel Gotlieb, Sohn von Ervin und Régine, genannt Gotlib, den Planeten zu verlassen habe. Wie schön, dass der Zeichner bockig beschlossen hat, zu bleiben – mittels seiner Bibliographie, mittels seinem Baby @fluide_glacial und seiner Tochter Ariane, die hier auf Insta seinen offiziellen Account @gotlib_compte_officiel ins Leben rief, auf dem sie das Leben und Werk ihres Vaters feiert. Rhââ, lovely!!!

Negroni ein Verwandter von Johnny Walker? Nu, im übertragenen Sinne: Negroni ließ mit Gin wirkungsverstärkten Wermut mit Bitters mischen, die Familie Walker mischte schottische Whiskys, damit das Produkt des Hauses immer gleich schmeckte. Der Erfinder des Negroni, Graf Camillo Negroni, wanderte in den 1880ern in die USA aus und lernte dort auf Eis mit Bitters gemischten Wermut kennen. Johnny Walker ist erst 1857 mit dem Angel’s Share in den Himmel ausgewandert und hat, soweit ich weiß, bis dahin seine Heimatstadt Kilmarnock nicht verlassen. Ich verlasse mein Homeoffice auch nur selten und halte mich an den Hinweis eines engen Freundes von Camillo Negroni, der dem Grafen riet: „My dear Negroni, you must not take more than 20 Negroni a day!“ Wen einem so viel Gutes wird beschert … – aber das ist eine andere Geschichte.

Sven K. am 24. 10. 2018

1978. Charles Bukowski grinst breit in die Kamera: „Okay! Then, where are the whorehouses?“ Mit diesen Worten steigt der Underground-Autor nach einer Rundfahrt durch den Hamburger Hafen von einer wild schaukelnden Schaluppe. Hank, der mit seiner Strickmütze, dem zerfurchten Gesicht und Dreitagebart selbst als Hafenarbeiter durchgeht, ist nicht mal sechzig, sieht aus wie achtzig und hat beste Laune.

„Berühmt nach dem Tod? Nein. Ich wollte gut genug schreiben, um die Miete zu bezahlen und was zu trinken zu haben. Ich hatte das Gefühl, dass ich im Vergleich zu den anderen gut schreiben konnte, aber ich knüpfte keine Erwartungen daran. Ich wollte überleben, das nackte Überleben.“ Charles Bukowski

Abends liest er vor hunderten Fans und einigen Zwischenrufern, die man heute Hater nennen würde. Er liest kurze Texte, Fragmente, Gedichte, die vor gelebtem Leben und viel, viel Humor triefen. Zwischendurch zündet er hustend eine Zigarette nach der anderen an, mit deren Qualm er sich einhüllt, als seien es Nebelkerzen. Nach dem soundsovielten Zwischenrufer sagt er nur halb ironisch, er wisse nicht, ob das eine sehr lange Lesung werden würde. Als eine neue Flasche Wein gereicht wird, entkorkt er sie zufrieden schmatzend und sagt, na, das sähe wohl doch nach einer längeren Lesung aus.

Das Publikum, im Anschluss an die Lesung befragt, spricht darüber, dass Bukowski über Sex und Suff spricht. Es spricht nicht darüber, dass er vom Leben erzählt. Und hat damit ein Problem, das deutsches Publikum bis heute hat. Deutsches Publikum ist völlig immun gegen die Tatsache, dass, was man erzählt und wie man es erzählt, völlig wumpe ist; dass es die Geschichte ist, die etwas interessant macht. Deswegen wird in Deutschland gern völlig belangloses Zeug veröffentlicht, Zeug, das nichts erzählt, denn die Leute bepissen sich schon vor Lachen, wenn nur jemand eine Flasche Bier aufmacht und „Titten“ sagt.

Dabei ist es so schön, wenn Sex, Suff und eine schöne Geschichte eins sind.

Heute ist der 97. Geburtstag von Albert Uderzo. der vor fünf Jahren gestorbene Zeichner erfand 1959 mit dem Autor René Goscinny die bis heute weltbekannte Comicfigur Asterix. Gemeinsam schnitzten die beiden bis zu Goscinnys viel zu frühem Tod 1977 vierundzwanzig Asterix-Alben, also mitunter bis zu zwei opulente 48-Seiter pro Jahr.

Kollegen wie André Franquin, der Schöpfer von Gaston, bewunderten Uderzo als zeichnerisches Ausnahmetalent: scheinbar mühelos zeichnete er pro Woche bis zu sieben Seiten in Asterix-Qualität. hochachtung galt seiner Technik: Er war im realistischen Comic so sehr zu Hause wie im Cartoonstil und außerdem, was nicht nur den Zeichnerkollegen Morris, Erfinder von Lucky Luke, beeindruckte, ein sicherer Karikaturist.

Uderzo war nebenbei ein kontroverser Kauz. beispielweise investierte er, während die Kollegen mit der ’68er-Revolte kokettierten, seine Asterix-Gewinne in eine Ferrari-Sammlung.

Wer den Mann (ein wenig) begreifen will, ist mit dem Interviewband des französischen Schriftstellers, Schauspielers, Regisseurs und Comic-Spezialisten Numa Sadoul fantastisch bedient.

Gerade hab ich meinen Twitter-Account @ivysbar stillgelegt. Ich finde es so bitter, dass es reicht, wenn man als Mega-Arschloch viel Kohle hat, dass man etwas Wunderbares in Grund und Boden reiten kann.

Ich bin jetzt sicher einer der Cartoonisten mit der übersichtlichsten organischen Reichweite hierzulande –und ich arbeite weiter mit viel Spaß daran, das zu ändern – aber eben nicht mehr in Muskistan mit seiner onlinepublizistischen Spezialaktion.

Wer bei „X“ sein Publikum sucht, für was auch immer, unterstützt reaktionäre Arschlöcher und macht, gewollt oder nicht, ein politisches Statement und kein gutes.

Wer auf „X“ publiziert, schafft ein Publikum für alles, was nicht freundlich ist. So opportunistisch werden Ivy und ich in diesem Leben nicht mehr.

Verfolgt Ivy gerne hier:

Heute vor sieben Jahren hat das Universum beschlossen, dass Marcel Gotlieb, Sohn von Ervin und Régine, genannt Gotlib, den Planeten zu verlassen habe. Wie schön, dass der Zeichner bockig beschlossen hat, zu bleiben – mittels seiner Bibliographie, mittels seinem Baby @fluide_glacial und seiner Tochter Ariane, die hier auf Insta seinen offiziellen Account @gotlib_compte_officiel ins Leben rief, auf dem sie das Leben und Werk ihres Vaters feiert. Rhââ, lovely!!!

Negroni ein Verwandter von Johnny Walker? Nu, im übertragenen Sinne: Negroni ließ mit Gin wirkungsverstärkten Wermut mit Bitters mischen, die Familie Walker mischte schottische Whiskys, damit das Produkt des Hauses immer gleich schmeckte. Der Erfinder des Negroni, Graf Camillo Negroni, wanderte in den 1880ern in die USA aus und lernte dort auf Eis mit Bitters gemischten Wermut kennen. Johnny Walker ist erst 1857 mit dem Angel’s Share in den Himmel ausgewandert und hat, soweit ich weiß, bis dahin seine Heimatstadt Kilmarnock nicht verlassen. Ich verlasse mein Homeoffice auch nur selten und halte mich an den Hinweis eines engen Freundes von Camillo Negroni, der dem Grafen riet: „My dear Negroni, you must not take more than 20 Negroni a day!“ Wen einem so viel Gutes wird beschert … – aber das ist eine andere Geschichte.

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