Das Zeichnen war für mich immer eine sehr private Angelegenheit. Deswegen sieht man mich auch selten auf Messen oder ähnlichen PR-Events. Eine Ausnahme war einmal eine dieser Frankfurter Buchmessen. Da fand ich mich vor langer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, mit einem in Deutschland weltberühmten Mäusezeichner auf Einladung seines Verlegers in einem vietnamesischen Restaurant zur, wie man mir versicherte, traditionellen Verlagsorgie ein. Der Mäusezeichner war erst etwas kratzig, weil der Verleger ihn abseits der großen Tafel zu mir an den Katzentisch gesetzt hatte, aber dann kam der Co-Verleger des Mäusezeichners ins Spiel, genauer gesagt an unseren Tisch. Der Co-Verleger war ein sehr freundlicher Schweizer mit feinem Humor und einer entzückenden Frau, und er war gleichzeitig Lektor meines Satirebuchs, das mich überhaupt an diesen exklusiven Tisch katapultiert hatte. Ihm kam Gott sei Dank die glorreiche Idee, das orgiastische Element des Abends in Angriff zu nehmen. Da wir uns alle NICHTS unter den fantasievollen Namen der Drinks unserer vietnamesischen Gastgeber vorstellen konnten, wurde beschlossen, die etwa zwanzig Cocktails der Reihe rauf und runter zu trinken. Wir schafften einmal runter sowie halb wieder rauf und so krochen wir schließlich im Morgengrauen gut gelaunt aus der asiatischen Kaschemme. Wir freuten uns diebisch, hatten wir doch alle die Taschen voll dieser billigen Sakegläser, auf deren Boden man immer, wenn sie voll sind, nackte Männer und Frauen sieht. Dieses Billigporzellan steht seit über zwanzig Jahren bei uns in Schrank, missbilligend beäugt vom Meißner Porzellan. Am 29. August 2020 starb der Mäusezeichner und ich füllte aus diesem Anlass eines der Gläser noch einmal mit billigem chinesischen Fusel und stieß mit einem der anderen Bonsai-Humpen an, dem, von dem ich wusste, dass ER daraus getrunken hatte. Er, Uli Stein, der Mäusezeichner, der uns im Rahmen der Verlagsorgie immer zwei vietnamesische Köstlichkeiten voraus gewesen war, und der trotzdem keine Tischdecken signierte, denn im Gegensatz zum rauf-und-runter-Trinken war das Zeichnen für ihn eine sehr private Angelegenheit.
PixelmusikSven K.2020-09-28T03:04:53+02:00
IVY’S BAR ist als Location eine Hommage an eine Kölner Szenekneipe: DIE RUINE.
DIE RUINE war ein magischer Ort. Ein altes Lagerhaus, im Krieg bis auf die Mauern des Erdgeschosses weggebombt, wird bestückt mit neuem Betondach und innen mit einer gemauerten Theke, Strom, Wasser und Zapfanlage. Oben entsteht eine Kneipe, unten eine Disco und draußen – der Clou schlechthin – ein riesiger Biergarten, der bis spät in die Nacht geöffnet sein kann, denn die RUINE liegt mitten im Industriegebiet.
Ich bin Hausgrafiker, zeichnendes Thekenfaktotum und zeitweise sogar Lokalkabarettist mit fester Show jeden Montag. Überhaupt Shows … Die RUINE ist Ort für Mainstream-Discos und experimentellen Jazz, Kabarett, Kunst und nach Feierabend feiern hier auch die Gastronomen und das Personal der umliegenden Kneipen.
IVY’S BAR entsteht in den unzähligen Skizzenbüchern, die ich an der Theke der RUINE vollkritzele. IVY’S BAR übernimmt das Rot der selbstgebastelten Barhocker, den bekloppten zur Zapfanlage umgebauten Benzinkanister und, tadaaa, die gemauerte Theke.
Es wird verpasst, das RUINE-Gelände für einen Spottpreis zu kaufen, der Laden wird abgerissen, Eigentumswohnungen entstehen auf dem Gelände des Biergartens. Einige der Gäste der bekloppten RUINE leben jetzt in der ziemlich langweiligen Häuserzeile auf dem Gelände. Für Kölner: DIE RUINE lag in der Lukasstraße 10 in Ehrenfeld, in einer Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat, lange her. Sie war Geschichte, noch bevor Kurt Cobain sich den Kopf wegballerte.
Ein Stück der RUINE lebt in IVY’S BAR weiter.
6 Tassen, ASIISCH, BLAU - Erotische Bilder, Unisex